Marina Lobanova:
Mystiker, Magier,
Theosoph,
Theurg:
Alexander Skrjabin und seine Zeit,
412 Seiten, zweite Auflage, ISBN 978-3-95675-001-4, 39,80 Euro
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Alexander Skrjabin ist unbestritten ein "Klassiker" Neuer Musik. Nach erfolgreichem Studienabschluß (1892) am Moskauer Konservatorium trat der Zwanzigjährige als Komponist und Pianist hervor und wurde 1898 Klavierprofessor an seiner einstiegen Ausbildungsstätte. Ab 1904 widmete er sich ausschließlich seinen Kompositionen. Lange Auslandsaufenthalte u.a. in der Schweiz und in Belgien folgten, ehe er 1910 nach Moskau zurückkehrte. Skrjabin beschäftigte sich mit theosophisch-spekulativen Philosophien. Enthusiastisch arbeitete er nach seiner Rückkehr an seinem kultischen "Mysterium", einem gigantischen "Gesamtkunstwerk" unter Einbeziehung unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen. Das Werk blieb unvollendet. 1915 starb Skrjabin.
Die musikgeschichtliche und philosophische Einschätzung des Komponisten unterliegt aber noch immer einem verzerrten Blickwinkel. Komponist und Œvre werden vor dem Hintergrund musikalischer Standards bewertet (und auch gelobt) oder als etwas Sonderbares und Esoterisches dequalifiziert. In der ehemaligen Sowjetunion fiel das Urteil über Skrjabin ebenso hilflos aus: Den einen war er "Reaktionär" - den anderen ein ins Überhöhte stilisierter "echter Dialektiker".
Hier setzt die Musikwissenschaftlerin, Marina Lobanova, mit ihrer Monographie über die Gedankenwelt Alexander Skrjabins an: Sie systematisiert die mystisch-philosophischen und kompositionstechnischen Aspekte in Skrjabins geistiger Welt und erklärt diese zeitimmanent. Die Autorin läßt sich in ihrer Darstellung auf die geistig-kulturellen - auch esoterischen - Strömungen im vorrevolutionären Rußland ein, denen Skrjabin verhaftet ist, um gleichsam kritisch darüber zu reflektieren. Sie folgt dem Anspruch, den Komponisten und sein Werk unter Einbeziehung aller, nicht selten auch widersprüchlicher kulturgeschichtlicher Impulse seiner Zeit zu betrachten: Esoterisches, Astrologie, Idealistisches, Revolutionär-Anarchistisches, Marxistisches u.a. Momente werden transparent, vor deren Hintergrund Skrjabins kompositionstechnisches Schaffen verstanden werden muß. Dabei zieht die Verfasserin Quellen und Archivalien heran, die bisher von der Forschung noch nicht berücksichtigt wurden und zum Teil auch nicht berücksichtigt werden konnten.
Die in diesem Band zahlreichen, erstmals für die Skrjabin-Forschung verarbeiteten und publizierten russischen Quellen sind zweisprachig abgedruckt: Im russischen Original und in deutscher Sprache.
Inhalt - Gliederung im Überblick
Teil I. Mystisch-philosophische Elemente
im Schaffen Skrjabins
1 Zwischen
Sobornost-Idee und Theosophie
1.1
Das mystische Erbe Skrjabins und seine historische Rezeption
1.2 Die "religiöse Renaissance" in
Russland
1.3 Alexander Skrjabin
und Helena Blavatsky
1.3.1
Skrjabins Bekanntschaft mit der theosophischen Lehre
1.3.2 "Ein Weg der Offenbarung"
1.3.3 "Große Eingeweihte", "Auserwählte",
"Wächter"
1.3.4 "Die
Doktrin der Sieben Rassen"
1.4
Vorahnungen einer Apokalypse
1.5
Das nicht-klassische wissenschaftliche Paradigma und das
Einigkeitsprinzip
1.6 "Wie oben,
so unten": Das Gesetz der Analogie
1.7 Der okkulte Sinn der Weltkriege und Skrjabins
Mysterium
1.8 Alexander Skrjabin
und Wjatscheslaw Iwanow
1.9
"Weltseele", "All-Einheit", "Sobornost", "Theurgie"
1.9.1 Der russische Symbolismus, die Traditionen
der Slawophilen und des Wladimir Solowjew
1.9.2 Sergej Trubezkoj und seine "Hypothese des universellen
Bewusstseins"
1.9.3 "Die
Metaphysik der All-Einheit" bei Sergej Bulgakow
1.9.4 Skrjabins Mysterium: eine Synthese zwischen
Theosophie und Sobornost-Idee
1.10 Großer Ātman als
Gesamtheit aller Geistigkeit
1.11 Kultur als Erinnerung
2 "Das freie Schaffen" im System
Skrjabins
2.1 "Der Wille", "die
schöpferische Begierde" und "der erste Drang"
2.2 Das Ich und das Nicht-Ich im Konzept
des "freien Schaffens"
2.3 Die
kosmogonischen und mystisch-erotischen Vorstellungen im Konzept des
"freien Schaffens"
2.4 Ein
Zeugnis von Boris Focht
3 Mystiker und Adepten
3.1 "Der magische Idealismus"
Novalis'
3.2 Ein Drang zum
"mystischen Realismus" und das Mythosschaffen Richard Wagners
3.3 Imaginatio, Inspiratio, Intuitio als
Initiationsstadien und Skrjabins Weg zum Mysterium
3.4 Überwinden des individualistischen
Ästhetizismus
3.5 "Den magischen
Zauberkreis zerreißen"
4 Theurgische Kunst und
Magie
4.1 Skrjabins
Klangmagie
4.2 "Die Stimme des
Nada"
4.3 Konstantin Balmont über
Alexander Skrjabin
4.4 "Das
Satanische" im Werk Skrjabins
4.4.1 Musikkritiker und religiöse Philosophen über "das Satanische" im
Werk Skrjabins
4.4.2 Häretische
Ansichten Skrjabins und seiner Zeitgenossen
4.4.3 Darstellungen des "Satanischen" bei
Skrjabin
4.4.4 Das Konzept des
"Satanischen" bei Helena Blavatsky
4.4.5 "Das schwarze Feuer" des Okkultismus und Skrjabins Flammes
sombres
5 "Die
Sobornost-Handlung"
5.1 Die
All-Kunst und das synthetische Schaffen
5.2 "Vorbereitende Stimmungen"
5.3 Die Aufhebung der Rampe
5.4 Skrjabins Mysterium und die Theaterexperimente
seiner Zeit
5.5 Ein Helden-Opfer
an der Schwelle zum theurgischen Reich
5.6 Überwinden des Leidens
6 Ekstase und Wahnsinn
6.1 "Erlöser, Zerstörer,
Befreier"
6.2 Nietzsches
Übermensch und der Magier des Okkultismus
6.3 Nietzsche und der Dionysos-Kult in Russland
6.4 Zwischen Dionysos-Kult und
Sobornost-Konzept
6.5 Ekstatische
Künstler, göttliche Raserei
6.6.
Der kosmogonische Sinn der Kreistänze
6.7 Der okkulte Sinn der Ekstase bei Skrjabin
6.8 "Ich bin Gott", die sufische
Erleuchtung und Helena Blavatskys Begründung
6.9 Bilder des "schöpferischen
Wahnsinns"
6.10 Der
Genie-und-Irrsinn-Mythos und der dekadente Kanon
6.11 "Der irrationale Grund der
Welt"
6.12 Im Meer des
"kollektiven Unbewussten"
6.13
"Dionysische Welterfahrung"
6.14 "Mainomenos": Wütender oder
Leidenschaftlicher
7 Mystik und Panerotik
7.1 Das Erotische bei Skrjabin
7.2 Die theosophische Interpretation des
Erotischen und die erotische Utopie von Wladimir Solowjew
7.3 Eros und Androgyn
7.4 Ein Russe als Allmensch: Skrjabins nationales
Wesen im Licht der Sobornost-Ideen und der okkulten Vorstellungen
Teil II. Zur Poetik, Theorie und Kompositionstechnik Skrjabins
1 Eine unbekannte Theorie
1.1 Die Obertonharmonik Skrjabins und ihre
Rezeption
1.2 "Hier gibt es ein
sehr strenges Prinzip... Es ist ein strenger Stil"
1.3 Der Prometheus-Akkord als Konsonanz und die
freie Auswahl der Intervallik
1.4
Relativierung des Konsonanten und des Dissonanten
1.5 "Wie grob ist diese Temperatur, wie
wünschenswert wäre es, etwas zwischen diesen Tönen zu haben!"
1.6 Auf dem Weg zur Ultrachromatik
1.6.1 Akustische, psychologische
und historische Aspekte
1.6.2 "Ein
Blick in den ultrachromatischen Abgrund": das Spätwerk Skrjabins
1.6.3 "Kurz vor der
Übersiedlung in ultrachromatische Sphären"
1.6.4 "Konsonante Grundharmonien" und
eindimensionale Körper
1.6.5
Bildung des Harmonie-Timbres-Komplexes: zweidimensionale bzw.
dreidimensionale Körper und "besondere Obertonreihen"
1.6.6 Eine Synthese zwischen Harmonie und
Kolorit
1.6.7 Ein Umbruch auf dem
Gebiet der Tonkunst: neue Notation, neue Instrumente
1.7 Eine Polemik zwischen Arseni Awraamow und
Leonid Sabanejew
1.8 Die
Ultrachromatik und die Theosophie
1.9 Die Notwendigkeit einer neuen Theorie: "logische Synthese" und eine
"organische Harmonielehre"
1.10
Probleme des Stils Skrjabins
1.10.1 Hauptetappen der Stilentwicklung
1.10.2 Vorformen des
Prometheus-Akkords
1.10.3
Eigenschaften des Skrjabinschen Stils
1.11 Skrjabin — Sabanejew — Roslawez: eine bahnbrechende
Musiktradition
2 Das musikalisch-symbolische Programm
Skrjabins
2.1 Programmatische
Begriffe Skrjabins im Kontext seiner Zeit
2.2 Vom Chaos zur Ekstase
2.3 Zwischen Kristallgittern und offenen Formen
2.4 Zwei Einheitskonzepte: das Mysterium Skrjabins
und das Mythosschaffen Wagners
3 Ton-Farbe-Licht in Prométhée
3.1 Zur historischen Rezeption
der Synästhetik Skrjabins
3.2
Synästhetik und Kunstsynthese als Problem der Epoche Skrjabins
3.3 Zur Bedeutung okkulter
Vorstellungen
3.4 Die
"Lichtsymphonie" Skrjabins als Vorstufe seines Mysteriums
3.4.1 Kontrapunkte in der
synthetischen Handlung
3.4.2
Farb-Ton-Entsprechungen bei Skrjabin, zusammengefasst von Leonid
Sabanejew
3.4.3 Die
Prométhée-Partitur mit den handschriftlichen Bemerkungen
Skrjabins, aufgeschrieben am 16. (29.) März 1913
3.5 Das Licht-Szenarium im
Prométhée und Blavatskys Kosmische Evolution aus den Strophen des
Dzyan
3.6 Die
Geheimnisse des "Eoahoaoho"
3.7 Die strukturellen und theosophisch-symbolischen Funktionen der
Luce-Stimme
4 Zahlen, Mystik, Magie (zum
Schaffensprozess Alexander Skrjabins)
4.1 "Es ist notwendig, dass eine Form wie eine Kugel, vollkommen wie ein
Kristall entsteht..."
4.2
Das Proportionsprogramm des Prométhée
4.3 Eine esoterische Formkorrektur:
Prometheus-Lucifer-Symbolik
4.4
Die Metrotektonik von Georgi Konjus
4.5 Konjus’ Analysen von Skrjabins Préludes op.
11
Werkverzeichnis
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