Gabriele Knapp:
Das Frauenorchester in Auschwitz
Musikalische Zwangsarbeit und ihre Bewältigung

338 S., ISBN 978-3-928770-71-2, Hamburg 1996, 40,00 Euro
(=Schriftenreihe Musik im "Dritten Reich" und im Exil, Band 2)

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Musik wirkt in einem durch Personen geprägten, gesellschaftlich bedingten und situativ umgrenzten Handlungsraum. Trifft dies auch auf Extrembedingungen zu, wie sie in deutschen Konzentrationslagern herrschten? Welche Bedeutung hatte hier Musik? Bislang wurden vorwiegend die überlebenswichtigen Aspekte musikalischer Aktivitäten für die KZ-Häftlinge erforscht, das heimliche oder freiwillige Musizieren. Weniger aufgearbeitet wurde das Musizieren auf Befehl der SS und seine Bedeutung im KZ.
Gabriele Knapp beschreibt am Beispiel des Frauenorchesters in Auschwitz, was musikalische Zwangsarbeit war, und wie die SS von ihr profitierte. Durch detaillierte Analysen musikalischer Einsatzsituationen, beispielsweise dem Einsatz von Marschmusik am Lagertor, zeigt sie eindrücklich auf, wie Musik und die Musizierenden in den Vernichtungsapparat der SS verwoben wurden.
Das Orchester war integraler Bestandteil des Alltags der SS und zwangsläufig der Gefangenen. Die Autorin betont, daß befohlene Musik für die Mehrzahl von ihnen ein zusätzliches Element alltäglicher Qual, Demütigung und Täuschung war. Sie entmythologisiert die häufig in der Literatur betonte positive Kraft von Musik auf die KZ-Häftlinge.
Die Autorin stellt musikalische Lebensläufe anhand biographischer Kategorien dar. Auf der Basis der spezifischen Psychologie von KZ-Überlebenden zeigt sie durch behutsame Interpretationen auf, wie alle Frauen durch die Zeit der NS-Verfolgung und die KZ-Gefangenschaft massive Einschnitte in ihre Musikbiografie erlitten. Um weiterleben zu können, mußte jede Frau individuelle Bewältigungsstrategien finden.
Ein zentrales Ergebnis der Arbeit ist, daß die Musikerinnen auf grausame Weise Opfer waren. Die Autorin kritisiert daher die Darstellung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen im Buch der Fania Fénelon, Das Mädchenorchester in Auschwitz (1981), in dem die Geschehnisse im Orchester verharmlost und beschönigt beschrieben sind. Sie zieht den Schluß, daß es keine verbindliche Wahrheit gibt, sondern daß es darum geht, die subjektiven Sichtweisen aller Frauen als kontrastierende Wahrheitsebenen gegenüberzustellen und zu respektieren, daß die Frauen des Orchesters durch die Verdrängung großer Teile der traumatischen Vergangenheit überhaupt weiterleben konnten.



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