Musiktheater im Exil der NS-Zeit
Bericht über die internationale
Konferenz
am Musikwissenschaftlichen Institut
der Universität Hamburg 3.
bis 5. Februar 2005.
Hrsg. von Peter Petersen u. Claudia Maurer Zenck.
ISBN 978-3-932696-68-8, 424 Seiten,
Abbildungen und Notenbeispiele,
Hamburg 2007, 48,00 Euro
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Im Februar 2005 widmete sich erstmals
ein internationales Symposion dem Thema "Musiktheater im Exil der NS-Zeit".
Veranstaltungsort war das Musikwissenschaftliche Institut der Universität
Hamburg. Die 16 Referate der Tagung sind im vorliegenden Band
abgedruckt.
Inhalt:
Vorwort der Herausgeber • Barbara von der Lühe (Berlin),
Belcanto auf Iwrith • Burcu Dogramaci (Hamburg), "Faust" für Ankara –
Carl Ebert im türkischen Exil • Fiamma Nicolodi (Florenz), Aspects of
Italian Musical Theatre under the Fascist Dictatorship • Beate Angelika
Kraus (Bonn), Exilmusik auf Frankreichs Bühnen? Musiktheater in Paris von
1933 bis 1944 • Barbara Busch (Würzburg), Kurt Jooss und Berthold
Goldschmidt im englischen Exil. Auf den Spuren eines verloren geglaubten Werkes:
"Chronika" • Michael Fend (London), Das Unternehmen Glyndebourne in den
1930er Jahren • Jutta Raab Hansen (London), Musiktheater in
Internierungslagern auf der Isle of Man • Friedrich Geiger (Hamburg),
Amerika im Musiktheater – Musiktheater in Amerika. Das Beispiel Richard Mohaupt
• Claudia Maurer Zenck (Hamburg), Ein Musiktheaterexport nach
Nordamerika – die Salzburg Opera Guild • Albrecht Gaub (Middleton,
Wisconsin), Der Beitrag von Exilanten aus Deutschland zur Entwicklung des
Musiktheaters in Kanada • Friederike Fezer (Hamburg), Irr- und Umwege
eines Opernregisseurs im Exil. Die biographischen Stationen und künstlerischen
Tätigkeiten P. Walter Jacobs von 1933 bis 1949 • Albrecht Dümling
(Berlin), Schneewittchen in Uniform. Die Musikrevue Sergeant Snow
White 1943 in Melbourne • Ingo Schultz (Handewitt), Komponiert und
geprobt im KZ Theresienstadt: Der Kaiser von Atlantis oder Die
Tod-Verweigerung von Viktor Ullmann • Peter Petersen (Hamburg),
Der Weg der Verheißung von Weill / Werfel / Reinhardt und Hagadah
shel Pessach von Dessau / Brod – ein Vergleich • Christoph Dompke
(Berlin), Operette, Musical und Kabarett im Exil • Sophie Fetthauer
(Hamburg), Opernsänger und -sängerinnen im Exil am Beispiel der
Ensemblemitglieder des Hamburger Stadttheaters.
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Vorwort
Die Forschungsaktivitäten zum Thema „Musik im Exil der
NS-Zeit“ sind in den letzten 25 Jahren enorm gesteigert worden.
Es fanden wichtige Tagungen statt (Essen, Hamburg, Wuppertal,
Münster, Wien, Dresden, Freiburg, London, Cambridge Mass., Schloss
Engers, Bern, Bielefeld), Arbeitsgruppen und Vereinigungen bildeten
sich (musica reanimata, Orpheus Trust, Hamburger Arbeitsgruppe für
Exilmusik u. a. m.), Schriftenreihen wurden gegründet (z. B.
„Verdrängte Musik“, „Musik im »Dritten
Reich« und im Exil“) und bedeutende Stiftungen engagierten
sich (u. a. Deutsche Forschungsmeinschaft, VW-Stiftung, ZEIT-Stiftung,
Akademie der Künste Berlin, der österreichische Fonds zur
Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Schweizer
Nationalfonds, Paul Sacher Stiftung).
Auch die Themenbereiche und Fragestellungen weiteten sich sukzessive
aus. Nachdem anfangs vor allem prominente
Komponistenpersönlichkeiten thematisiert wurden, gibt es
inzwischen auch Länder- und Städtedarstellungen und kommen
andere Berufsgruppen wie Dirigenten, Sänger, Instrumentalisten,
Ensembles, Musikwissenschaftler und Musikverleger in den Blick.
Das Thema „Musiktheater im Exil der NS-Zeit“, dem sich ein
internationales Symposion an der Universität Hamburg im Februar
2005 widmete und dessen Referate in dem hier vorliegenden Band
veröffentlicht werden, ist vorher noch nie einziger Gegenstand
einer Tagung oder einer größeren Publikation gewesen. Die
Veranstalter hatten die Hypothese entwickelt, dass einige spezifische,
durch das theatrale Genre bedingte Aspekte dazu führen
würden, bisher nicht bekannte Facetten des über die ganze
Welt verbreiteten exilbedingten Musiklebens offenzulegen. Diese
Hypothese hat sich in den 16 Vorträgen der Tagung weitgehend
bestätigt.
Zu den Spezifika gehört zunächst, dass das Musiktheater durch
die zusätzlichen Medien „Wort“ und „Szene“
einen exponiert öffentlichen Charakter hat, der offene oder
verdeckte Stellungnahmen zur zeitgeschichtlichen Situation
ermöglichte. Neben diesem inhaltlichen Aspekt tritt eine
soziokulturelle Gegebenheit hervor, die darin besteht, dass Oper,
Operette, Singspiel, Musical, Ballett usw. in einer gewissen Nähe
zur allgemeinen Popularkultur stehen.*
Das damit einhergehende Starwesen insbesondere um Sänger und
Sängerinnen, aber auch um Dirigenten hatte Einfluss auf die
Chancen der „refugees“, wenn es um Beschäftigung an
Musiktheaterhäusern in den Asylländern ging. Was die
avantgardistische Ästhetik anbelangt, stießen die Vertreter
der Musikmoderne auf andere, eher hemmende Konstellationen, denn
bekanntlich tendieren Opernhäuser und ihr Repertoire eher zu
konservativen Festschreibungen und zeigen Beharrungstendenzen
gegenüber Neuem oder gar Avantgardistischem.
Besondere, durch den Aspekt des Musiktheaters noch verstärkte
Exilbedingungen resultieren auch aus der Notwendigkeit, sich an
regionale Traditionen von Opernhäusern und anderen
Spielstätten in den Asylländern anpassen zu müssen.
Bevorzugte Genres, der Stil des Repertoires und der Geschmack des
Publikums waren in Palästina und Paris, in Kanada und Ankara nicht
vergleichbar und jedenfalls von der Kulturtradition in den
Heimatländern unterschieden, ganz zu schweigen von den
Aufführungsbedingungen in Zwangseinrichtungen wie den
Internierungslagern für „enemy aliens“ in England und
Australien, dem Jüdischen Kulturbund im Deutschen Reich oder dem
KZ Theresienstadt; letztere beide Bereiche wurden auf der Tagung
übrigens unter einem erweiterten Exilbegriff mit einbezogen.
Umgekehrt zum Akkulturationsgebot konnte aber auch die Chance ergriffen
werden, das Kulturangebot in den Gastländern zu bereichern, denn
die Musiktheaterleute, die ins Exil gehen mussten, blickten allesamt
auf eine exzeptionelle Vielfalt des Musiklebens in den
deutschsprachigen und den übrigen europäischen Ländern
zurück. Tatsächlich kam es ja im Ausland hie und da zur
Neugründung von Theatern und Schulen.
Den Referentinnen und Referenten sei für ihre Vorträge und
die Bereitstellung der Manuskripte und Abbildungen an dieser Stelle
nochmals ganz herzlich gedankt. Das Symposion wurde von der
ZEIT-Stiftung großzügig unterstützt, wofür ihr
Dank gebührt, ebenso wie der Senatskanzlei der Freien und
Hansestadt Hamburg für einen weiteren Zuschuss. Das
Musikwissenschaftliche Institut der Universität Hamburg stellte
dankenswerterweise seine Räumlichkeiten und einiges mehr zur
Verfügung. Schließlich machte die Herbert und Elsbeth
Weichmann Stiftung es möglich, dass der Symposionsbericht jetzt in
angemessener Frist und solider Form erscheinen kann; auch hierfür
möchten sich die Herausgeber herzlich bedanken.
Hamburg im Januar 2007 Peter
Petersen Claudia Maurer Zenck
* Dies
kommt auch in unserem Titelfoto auf dem Außenumschlag zum
Ausdruck. Das aus Privatbesitz stammende und heute im PWJ-Archiv in der
Walter-A.-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur
an der Universität Hamburg aufbewahrte und uns dankenswerterweise
zur Verfügung gestellte Bild zeigt das Ensemble des Stadttheaters
Teplitz-Schönau in der Tschechoslowakei beim Gastspiel in Bad
Pistyan im Sommer 1937. Sicher zu identifizieren sind: Herbert
Weiskopf, Opernchef (vorne 3.v.l.); Karl Münzer, Buffo (vorne
1.v.l.); P. Walter Jacob, Opernregisseur (vorne 4.v.l.); Lieselott
Reger, Schauspielerin (vorne 5.v.l.); Dario Medina, Tenor (halb auf der
Leiter rechts stehend).
Link zur Schriftenreihe ===> "Musik im
'Dritten Reich' und im Exil"
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