Christoph Dompke:
Unterhaltungsmusik und NS-Verfolgung
396 S., ISBN 978-3-932696-80-0, Neumünster 2011,
39,80 Euro (=Musik im "Dritten Reich" und im Exil, 15)
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Unterhaltungsmusik wurde von der deutschen Musikwissenschaft lange Zeit
vernachlässigt. Man widmete sich fast ausschließlich der musikalischen
Hochkultur und weniger der populären Musik, die Unterhaltung und Kommerz
bedient. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der musikwissenschaftlichen
Exilforschung. Hier setzt Christoph Dompke mit seiner Arbeit an. Indem er die
Subgattungen Operette, Kabarett, Chanson, Schlager und Tanzmusik einbezieht und
zudem verschiedene Verfolgungsarten wie Vertreibung ins Ausland, Ghettoisierung
im Jüdischen Kulturbund und KZ-Haft berücksichtigt, gewinnt er einen Überblick
über das gesamte Themenspektrum, wie er bisher nirgends geboten wird.
Außerdem werden einzelne Lebenswege von Protagonisten der
Unterhaltungskultur in Österreich und Deutschland auf der Grundlage von
Archivrecherchen nachgezeichnet. Es gibt Biographien des Scheiterns, Biographien
des Verschwindens, und Musiker, deren Leben und Tätigkeiten im Exil vorerst
unaufgeklärt bleiben. Und es gibt Musiker, die sich trotz schwieriger
Lebensumstände und Arbeitsbedingungen behaupten konnten und innerhalb bestimmter
Grenzen Erfolg hatten.
Bekanntlich wurde der seit dem 19. Jahrhundert in
Deutschland bestehende Homosexuellenparagraph 175 von den Nazis verschärft
angewandt. Einer der wenigen bekannten Fälle von Verfolgung schwuler Musiker war
Robert T. Odemann (1904-1985). Haft, Befreiung und versuchte Rehabilitierung
werden nach Aktenlage ausführlich dokumentiert. Ein besonderes Kapitel ist auch
die Wiedergutmachungspraxis der BRD seit 1949. Am Beispiel der Personalakten von
Blandine Ebinger (1899-1993), Chansonsängerin und Schauspielerin, 1937 Exil in
den USA, 1948 Rückkehr nach Berlin, erst Ost, ab Ende 1950 West, wird ein
Einzelfall bis in alle Details dokumentiert.
Die Akkulturation im Exilland
hing stark vom internationalen Bekanntheitsgrad und Erfolg der Musiker vor 1933
ab. Dem Operettenkomponisten Oscar Straus ging es im Exil in Amerika
verhältnismäßig gut, denn viele seiner Operetten waren dort schon Erfolge
gewesen und er selbst war dort aus diesem Grund ein beliebter Gastdirigent. Der
Ungar Paul Abraham hingegen hatte seine großen Erfolge in Deutschland und
Österreich erst Anfang der 1930er Jahre gefeiert und war in Amerika ein
Unbekannter.
Ein zusätzlich wirksamer Faktor beim Aufbau eines neuen
beruflichen und privaten Lebens im Exilland war das Alter der Exilanten. Der
Operettenkomponist Oscar Straus (1870-1954) war auf Grund des frühen Beginns
seiner Laufbahn auch im Exil ein bekannter und gespielter Komponist. Paul
Abraham (1892-1960) hingegen verblieb in den drei Jahren nach seinem Erfolg mit
"Viktoria und ihr Husar" kaum Zeit, den Grundstock für eine internationale
Karriere zu legen. Für die nach Abraham nächst jüngere Generation der um 1900
Geborenen scheint wiederum ein Neuanfang einfacher gewesen zu sein. Dem
Komponisten und Schriftsteller Hugo Wiener (1904-1993) beispielsweise gelang es,
in Südamerika beruflich Fuß zu fassen, ebenso konnte der Musiker und Komponist
Shabtai Petrushka (1903-1997) sich in Palästina eine erfolgreiche Karriere
aufbauen. Ein ungewöhnliches Beispiel einer gelungenen Akkulturation bietet der
Lebenslauf der Chansonette Greta Keller (1903-1977), die aus Protest gegen das
Nazi-Regime in die USA auswanderte und sich dort künstlerisch entfalten konnte.
Sie machte die "Fremdheit", ihre österreichische Herkunft, zu ihrem
Markenzeichen mit Chansons überwiegend deutscher und österreichischer
Komponisten.
Link zur Schriftenreihe ===> "Musik im
'Dritten Reich' und im Exil"
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