Als
die „Internationale der Kriegsdienstgegner“ 1931 in Lyon
tagte und Albert Einstein eine Grußbotschaft an die Teilnehmer
mit der Hoffnung schickte, sie könnten „zu einer
größeren Weltmacht werden als das Schwert“, reagierte
Kurt Hiller in einem öffentlichen Brief, der in der
„Weltbühne“ erschien: „Einen Schritt noch,
Einstein!“ Darin mahnte Hiller, man könne angesichts der
kriegstechnologischen Entwicklung zur Verhinderung drohender Kriege
nicht mehr nur auf Dienstverweigerung setzen. „Es ist eine
Naivität, hochverehrter Herr Professor, die unbeschreibliche
Entsetzlichkeit eines kommenden Krieges, mit seinen Spreng-, Brand-,
Bazillen- und Giftgasbomben über den Großstädten,
dadurch glauben bannen zu können, dass man die Menschen
auffordert, sich nicht an ihm zu beteiligen.“ Der
„Weltbühne“-Autor und einstige
„Absolutpazifist“ argumentierte weiter, es gebe nur
„ein einziges wirklich taugliches Mittel zur Verhinderung des
gigantischen Verbrechens: die revolutionäre Erhebung gegen die
Verbrecher, die Eroberung der politischen Macht.“ In seinem
Antwortbrief unterstrich Einstein noch einmal die psychologische
Wirkung der Kriegsdienstverweigerung.
Hillers „Sprung ins Helle“ erschien 1932 und enthält
seine wesentlichen Schriften – wie auch Brief- und
Rundfunkdiskussionen – zu seinem ab 1925/26 propagierten
„revolutionären“ Pazifismus. Leute wie Kurt Tucholsky,
Walter Mehring, Ernst Toller u.a. gehörten Hillers 1926
gegründeter „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“ an.
Weitere Themen neben der Gewaltproblematik sind u. a.: Sozialismus,
Kapitalismus, Klassenkampf und Gewalt, „Experiment“
Russland, Revolution, Kriegstechnologie und Friedensstrategien,
Völkerbund, Pan-Europa, Nationalismus, Kriegsschuldfrage und
Revisionismus.
Das Buch – ein Jahr vor Machtübergabe an Hitler erschienen
– war lange schwer zugänglich. Kaum in Bibliotheken gelangt,
gilt der größte Teil der Auflage als vernichtet. Hiller kam
schon 1933 ins KZ – und konnte 1934 nach Prag fliehen. Obwohl es
1932 noch in vielen Zeitschriften besprochen wurde, lag das Buch 1945
nur selten in Bibliotheken vor.
Der jetzt vorliegende Neudruck ist mit einer Einleitung zu Hillers
Pazifismus, zur Geschichte des Buchs, ergänzenden Materialien und
bibliographischen Hinweisen versehen. Es ist ein wichtiges Dokument zu
Kurt Hillers geistesgeschichtlicher Entwicklung – und zur
Geschichte des „Pazifismus“ in der Weimarer Republik.
Richard Huelsenbeck (1892-1974) schrieb 1932 in der
„Literarischen Welt“: „Es gibt in diesem Augenblick
kein aufschlussreicheres Buch über Fragen, die uns deutsche
geistige Menschen aufs Dringendste angehen.“
Max Brod (1884-1968) schrieb im Prager Tageblatt: „So wird
Hillers Buch zum kühnen, doch ausgewogenen und mit aller
Konsequenz eines selbständigen Denkers durchgebildeten Versuch,
jene Position des Menschen aufzuspüren, von der aus er zur
gerechten und glücklicheren Zukunft vorbrechen könnte.“
Der französische Schriftsteller Romain Rolland (1866-1944) schrieb
in einem Brief an Hiller: „Ich freue mich, oft bei Ihnen zu
lesen, was ich selber denke. Und in manchem – so hinsichtlich
Prof. A. Einstein – ist unsere Übereinstimmung
frappant.“
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