Mattias Hirschfeld:
Beethoven in Japan.
Zur Einführung
und Verbreitung westlicher Musik
in der japanischen Gesellschaft,
128 Seiten, ISBN: 3-932696-61-1, 19,80
Euro
Ludwig van Beethoven (1770-1827) war nie
in Japan. Dennoch ist sein Name dort heutzutage ebenso geläufig wie in
Westeuropa, und seine Werke gehören im Bereich der klassischen Musik hier wie
dort zu den meistgespielten. Besonders die Neunte Sinfonie mit dem Schlusschor
"Ode an die Freude" begeistert alljährlich hunderttausende von japanischen
Musikliebhabern. Dieses Phänomen ist gemeinhin bekannt. Nur in sehr geringem
Maße aber war es bisher hierzulande ein Gegenstand wissenschaftlicher
Forschung.
Hier setzt Mattias Hirschfelds
Studie an. Der Leipziger Kulturwissenschaftler und Japanologe fragt nach den
Voraussetzungen, Formen, Funktionen und Folgen der Rezeption sogenannter
klassischer europäischer Musik in Japan seit dem späten 19. Jahrhundert. Dabei
geht es ihm nicht nur um die Werke Beethovens, sondern um die Einführung
westlicher Musik in Japan allgemein: beginnend mit Militärmusik im 19.
Jahrhundert, über Institutionalisierungs- und Austauschprozesse um die
Jahrhundertwende, bis zur, nur vorübergehend durch den Zweiten Weltkrieg
unterbrochenen, Ausbreitung in der ganzen japanischen Gesellschaft. Wie war es
möglich, dass ein Teil einer Kultur, hier die Musik, in einer anderen
aufgenommen wurde? Inwiefern waren die dazu führenden Vorgänge zufällig,
intendiert oder gesteuert? Wer hatte dabei welche Interessen? Natürlich war
Japan schon lange vor dem Kontakt mit dem Westen ein Land mit einer großen
Vielfalt an Musik - wie verhielt sich das Neue zu dem zuvor Bestehenden? Wie
veränderte sich das eingeführte Kulturgut durch seine Aufnahme in neue
kulturelle und gesellschaftliche Kontexte? Welche Auswirkungen hatte diese
Einfuhr auf die aufnehmende Kultur?
Die vorliegende Studie untersucht die Einführung und Rezeption westlicher
Musik in Japan weniger unter musikimmanenten oder ästhetischen Aspekten.
Vielmehr betrachtet sie den Vorgang im Kontext innergesellschaftlicher Prozesse,
als Gegenstand kulturellen Austausches, politischer Interessen und von
Bedeutungsgebung und Identifikation. Diese Multiperspektivität, eine Forderung
der modernen vergleichenden Geschichtswissenschaft, wird gebündelt in der Frage
nach der gesellschaftlichen Bedingtheit musikalischer Praxis. Am Fall Japans
soll diese hier sichtbar gemacht werden und könnte somit auch zum Ausgangspunkt
einer vergleichenden Geschichte der Musiken in verschiedenen Gesellschaften und
ihren Wechselbeziehungen werden.
Inhalt:
Vorwort
I. Einleitung
II. Traditionelle japanische Musik
Begriffserörterungen - Musikalische
Charakteristika traditioneller japanischer Musik - Soziale Charakteristika
traditioneller japanischer Musik - Der frühe Einfluss christlicher Musik
III. Erste Schritte zur westlichen Musik
Die Öffnung Japans zum Westen -
Akteure im Musikbereich - Militarmusik - Erste Reaktionen der Japaner - Die
kaiserlichen Hofmusiker - Institutionalisierung der Ausbildung in westlicher
Musik
IV. Motive für die Einführung westlicher Musik
Kultureller Hintergrund
als Voraussetzung für den Import westlicher Technologien -
Repräsentationsfunktion westlicher Musik - Differenzierungsfunktion
'klassischer' Bildung - Günstige Verfügbarkeit - Funktionaler Import
V. Die Ausbreitung westlicher Musik
Wissenstransfer durch ausländische
Musiker in Japan und japanische Studenten im Ausland - Etablierung eines
westlichen Musiklebens - Beethovens Neunte in Kriegsgefangenenlagern und im
Konzert - Das Musikleben in der Kriegszeit bis 1945 - Der Wandel des
Beethoven-Bildes
VI. Musik in der japanischen Gegenwartsgesellschaft
Die kulturelle und
soziale Situation der Nachkriegszeit - Die Nachkriegs-Avantgarde - Aspekte des
Musiklebens in der Gegenwart - Musikunterricht - Zum Verhältnis traditioneller
und westlicher Musik in der Gegenwart - Beethovens Neunte in Japan
VII. Schluss
Literatur
Register